Es gibt eine weitere Blogparade, deren Thema mich ungemein anspricht: Claudia Kielman hat dazu eingeladen, die eigene Geschichte des Loslassens zu erzählen und welche Freiheit dadurch gewonnen wurde.
Bis zu meiner beruflichen Veränderung von der Festanstellung in die Selbstständigkeit im Jahr 2009 war mir gar nicht klar, wie schwer mir das Loslassen fällt. Ich hatte bis dato immer gedacht: „Natürlich kann ich Dinge in meinem Leben ohne großes Bedauern oder Zögern loslassen“. Mir ist es noch nie schwergefallen, meinen Kleiderschrank oder sonstige persönliche Dinge aufzuräumen, wegzugeben oder mich davon zu verabschieden. Warum auch?
Ich durfte sogar lernen, dass sich Menschen von mir „verabschiedet“ haben, mit den Worten: „Wir haben uns persönlich in so verschiedene Richtungen entwickelt, da macht es nur noch wenig Sinn, dass wir weiter krampfhaft an einer Beziehung festhalten!“ Irgendwie war ich danach sogar erleichtert, denn die vorangegangenen Besuche habe ich nur noch aus Pflichtgefühl absolviert, aber ohne echte Freude.
Durch Christian Maier habe ich gelernt, dass Loslassen meine Lust an den Herausforderungen genauso braucht wie meinen Mut zum Scheitern und neu anfangen.
Das bedeutet Loslassen für mich: Hin zu statt weg von
Um es vorwegzunehmen: Heute betrachte ich das Loslassen als „hin-zu“ (im Gegensatz zu „weg-von“). Und ja, es hat etwas gedauert, bis ich diese Sichtweise verinnerlicht habe. Die „hin-zu-Haltung“ trägt dazu bei, meine Energie langfristig zu sichern. Für mich ist dies immer die Antwort auf die Frage: Was will ICH wirklich!
So einfach diese Frage auch klingt, sie ist oft enorm schwierig zu beantworten. Da braucht es genaues Hinsehen und Nachspüren.
Wichtig ist nach meiner Erfahrung, sich ausreichend Zeit dafür zu nehmen und sich intensiv damit zu befassen, was einem wirklich wichtig ist. Es lohnt sich auf vielfache Weise, dies zu tun. Denn wenn Du eine gute (und für Dich überzeugende) Antwort auf diese Frage gefunden hast, weißt Du, was Dich antreibt und Dir die Energie liefert.
Loslassen bedeutet auch: Lebe mit den Konsequenzen Deiner Entscheidung
Verschiedene Gründe (die ich in meiner Geschichte „Vom Eigentlich zum eigentlichen“ ausführlich erläutert habe) haben dazu geführt, dass ich in 2008 zunächst berufsbegleitend eine Coaching-Ausbildung absolvierte und im Januar 2009 nach einer 15-jährigen hauptamtlichen Tätigkeit als Verbandsgeschäftsführerin den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt habe.
Obwohl ich unendlich froh war, diese Entscheidung getroffen zu haben, hatte ich einen wichtigen Punkt völlig unterschätzt. Es fiel mir echt schwer, loszulassen. Ich habe den Verband maßgeblich mit auf- und ausgebaut. Da steckte so viel von mir drin, der Verband war sozusagen mein „Baby“, das groß geworden war und das es nun galt, loszulassen. Dies war für mich eine der härtesten Lektionen, die ich lernen musste.
Zu dieser Zeit hätte mir die Shaolin-Weisheit: „Schaue niemals zurück“ sicherlich gutgetan. Mir ist es enorm schwergefallen, nicht zurückzuschauen, loszulassen und den Verband seinen eigenen Weg gehen zu lassen. Ich habe meine Entscheidung keinesfalls bereut (und bereue sie auch bis heute nicht), aber in den ersten 6 Monaten nach meinem Weggang habe ich sehr viel Energie gebraucht, um das Vergangene zu verarbeiten, loszulassen und mich zu erholen.
Das hat mir geholfen, loszulassen
Ich brauchte erst die Erkenntnis, dass Loslassen Freiheit bedeutet und das Festhalten mir sehr viel Energie geraubt hat. Danach war es für mich sehr viel einfacher. Gerade die Erkenntnis, dass der Arbeitsplatz mich nicht mehr erfüllt, sondern eher belastet hat, war wie ein Klotz am Bein, der mich lange davon abgehalten hat, mich frei zu entfalten. Ja, mich und meine Träume zu verwirklichen.
Loslassen war und ist bis heute für mich eine bewusste Entscheidung. Es bedeutet, Veränderungen zuzulassen und sich für Neues zu öffnen. Und wie bereits eingangs beschrieben, braucht es Mut zum Scheitern und neuanzufangen.
Bewusstes Visualisieren
Nachdem ich den Verband verlassen hatte, ist mir irgendwann bei einer Walkingtour nochmal richtig bewusst geworden, wie schwer mir es fällt, die berufliche Vergangenheit, den Verband und meine Mitarbeiterinnen loszulassen. Daher habe ich mir folgende Übung kreiert, um die Vergangenheit hinter mir zu lassen:
Ich suchte mir einen Punkt auf meinem Weg, von dem aus ich zunächst den Weg, der hinter mir lag, ganz genau betrachten konnte. Diesen Streckenabschnitt stellte ich mir als meine Vergangenheit vor, würdigte sie und ging dann ganz bewusst ein Stück weiter zu einer Stelle, von der aus ich nur noch nach vorne schauen konnte – mit ganz viel Aussicht und ganz vielen Alternativen. Und ich freute mich, welche Möglichkeiten sich mir boten und welche Wege mir offen standen. Diese Übung absolvierte ich einige Male, bis es mir nach und nach leichter fiel nur noch nach vorne zu schauen und meine Energie in die Gegenwart fließen zu lassen.
Loslassen durch Bogenschießen
Dass ich die Leichtigkeit des Loslassens noch nicht so ganz verinnerlicht hatte, zeigte sich eindeutig während meiner Ausbildung „Spielraum für Wesentliches – Wie bewegt man Menschen, sich zu bewegen“, die ich im Jahr 2009 bei Christian Maier absolviert habe. Spätestens bei dem Modul, in dem es ums Bogenschießen ging, zeigte sich bei mir, für mich völlig unerwartet, die Schwierigkeit loszulassen.
Eine Inner game-Weisheit besagt:
„Der treffende Pfeil braucht die zielende Kraft des Loslassens – im richtigen Moment.“
Es war wie verhext, denn mir gelang es einfach nicht, den Pfeil fliegen zu lassen. Neben mir trafen die anderen Kursteilnehmer:innen regelmäßig die Scheibe und ich stand da, mit gespanntem Bogen, bis meine Arme anfingen zu zittern. Nichts….! Christian sah sich das Spielchen eine Zeitlang an, ich wurde immer nervöser, unsicherer und verkrampfter.
Christian griff dann irgendwann ein und bat alle anderen zurückzutreten (und sich in Sicherheit zu bringen). Er wolle nun mit meiner Hilfe demonstrieren, was man beim Bogenschießen auf gar keinen Fall tun dürfe. Nämlich mit geschlossenen Augen zu schießen. Da ich ja ohnehin nicht loslassen könnte, wäre dies eine bloße Trockenübung. Ok, ich sammelte meine Konzentration, schloss die Augen und Christian führte mich Schritt für Schritt in nahezu meditativen Ansagen durch die Technik des Bogenschießens bis zu dem Punkt, an dem es galt loszulassen. Was soll ich Euch sagen, ich ließ los und es machte „Plopp“, mein Pfeil hatte die Zielscheibe getroffen. Ich war völlig irritiert durch dieses Geräusch und öffnete erst da die Augen. Wow, ich hatte losgelassen und getroffen. Was für ein Erfolg!
Welche Freiheiten habe ich gewonnen?
Aus einem auf den ersten Blick einfachen Vorgang wie dem Bogenschießen wird ein aussagekräftiger Spiegel für eine Reihe von Themen.
Letztlich geht es darum, dass sich Erfolg nicht vermeiden lässt, wenn man sich richtig, voll und ganz auf sein Ziel einlässt, einen klaren Standpunkt hat und die richtige Spannung aufbaut.
Dass ich mich von gewissen Belastungen gelöst habe, löst gleichzeitig ein Gefühl der Leichtigkeit und Befreiung in mir aus. Was mich vorher eingeschränkt und niedergedrückt hat, hat seine Bedeutung verloren. Ich habe mich weiterentwickelt, zum Teil weit über meine seinerzeitigen Grenzen hinaus.
Die mutige Befreiung hat mir mehr Selbstvertrauen und Selbstsicherheit geschenkt und damit ein Stück weit auch zu meiner Persönlichkeitsentwicklung beigetragen.
Loslassen im unternehmerischen Kontext
Wie häufig erlebe ich bei meinen Kund:innen, wie schwer es ihnen fällt, loszulassen. Solche Sätze wie:
- „Schafft meine Mitarbeiterin es wirklich, eine Behandlung genauso gut durchzuführen, wie ich selbst?“
- „Warum soll ich Geld für XY (eine Marketing-Spezialistin, einen SEO-Dienstleister, eine Werbeagentur oder oder oder) ausgeben?“
- „Ich brauche alle Informationen, um genauestens über jeden Vorgang Bescheid zu wissen!“
- „Ich mache das lieber selbst, dann weiß ich auch, dass es meinen Ansprüchen gerecht wird!“
Natürlich geht es gerade für Dich als Selbstständige:r dabei um Deine Existenz. Du willst sicherstellen, dass die Qualität Deiner Arbeit und der Ruf Deines Betriebs genau Deinen Vorstellungen und Vorgaben entspricht. Da braucht es schon ein gehöriges Maß an Vertrauen in die fachliche und persönliche Qualifikation der Mitarbeitenden, ehe man Aufgaben delegiert, Verantwortungsbereiche überträgt und damit ein Stück weit die Kontrolle abgibt.
Wenn Du Dir jedoch mal ausrechnest, wie viel Deine Arbeitszeit wirklich wert ist, dann solltest Du Dir zweimal überlegen, ob es Sinn macht, diese wertvolle Zeit mit Dingen und Themen zu vergeuden, die Deine Mitarbeitenden oder Externe Dienstleister wesentlich besser und schneller erledigen können, als Du.
Statt immer mehr Einsatz zu zeigen und zu versuchen, Dein Hamsterrad noch schneller zu drehen, solltest Du es ganz bewusst stoppen. Denn wenn Du Dich immer weiter abstrampelst, letztlich aber doch dabei auf der Stelle stehenbleibst, entwickelst sich weder Dein Unternehmen noch Du selbst.
Daher überwinde Dich und lasse los – Du wirst es nicht bereuen!
Fünf Tipps, die helfen, loszulassen
- Die Kraft des Abschiedsrituals
Schaffe ein Abschiedsritual, um symbolisch loszulassen. Dies kann das Schreiben eines Abschiedsbriefs sein, den Du danach verbrennst, oder das Feiern eines Übergangsrituals, um einen neuen Lebensabschnitt zu begrüßen. - Grenzen setzen
Übe Dich darin, „Nein“ zu sagen, um Überforderung zu vermeiden. Indem Du Grenzen setzt, schützt Du Deine Energie und fokussierst Dich auf das, was wirklich zählt. Gerade im beruflichen Kontext kann es befreiend sein, Aufgaben abzugeben. Vertrauen in andere aufzubauen, kann den Prozess des Loslassens erleichtern. - Aufräumen und Entrümpeln
Entrümple Dein Büro, Deine Werkstatt, Dein Institut, Deinen Laden, indem Du Dinge loslässt, die Du nicht mehr brauchst. Ein geordneter Raum kann auch zu innerer Klarheit führen. Auch ein „digitaler Frühjahrsputz“, bei dem Du alte Dateien, E-Mails oder unnötige Apps löschst, kann helfen, Ballast abzuwerfen. - Selbstmitgefühl entwickeln
Sei freundlich zu Dir selbst: Übe Dich in Selbstmitgefühl, anstatt Dich für vergangene Entscheidungen oder Fehler zu verurteilen. Sich selbst zu vergeben, ist ein wesentlicher Bestandteil des Loslassens. - Das Akzeptieren von Unvollkommenheit
Akzeptiere, dass Perfektion nicht immer erreichbar ist. Erlaube Dir, Fehler zu machen und betrachte sie als Lernmöglichkeiten. Dies kann besonders befreiend sein und den Druck nehmen. Frage Dich, ob das, woran Du festhältst, wirklich wichtig ist. Konzentriere Dich auf das Wesentliche und erlaube Dir, unwichtige Dinge loszulassen.
Fazit
Wer loslässt, lernt sein Leben in die Hand zu nehmen und aufzuräumen. Das sorgt für mehr Klarheit und Zufriedenheit.
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